
Warum schlechte Entwürfe machen?
Dieser Artikel ist der erste Teil meiner neuen Serie auf blog.tocki.de „Aus dem Leben eines Webdesigners„, in der ich ganz allgemein über meine Arbeit als Freelancer plaudere.
In meiner Tätigkeit als Freelancer stelle ich oft fest, dass ich offenbar anders mit Kunden umgehe, als sie das (hauptsächlich von Agenturen) gewohnt sind. Das hat viel mit dem Selbstverständnis meiner Rolle im Zusammenspiel mit dem Kunden zu tun.
Ein klassischer Entwurfsverlauf, wie ihn z.B. Agenturen schon seit Jahrzehnten durchlaufen, beinhaltet in vielen Fällen, dass der Kunde drei unterschiedliche Entwürfe vorgelegt bekommt, woraus er einen auswählen soll, der dann umgesetzt wird. Das ist einer dieser Punkte, an dem ich anders arbeite.
Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund dem Kunden die Entscheidung zu überlassen, welcher Entwurf für ihn am besten geeignet ist. Genau das ist ja mein Job. Ich glaube, dass diese Praktik aus einer zunehmenden Unsicherheit der Entwerfer kommt. Natürlich ist es leichter wenn man die Entscheidung auf den Kunden abwälzen kann, der dann die Verantwortung über die Qualität der Website zu tragen hat. Aber ist die Entscheidungsgewalt dort gut aufgehoben?
Ich lege bei meiner Arbeit großen Wert auf die Gespräche im Vorfeld. Was hat der Kunde mit der Website vor? Was möchte er aussagen? Wie möchte er, dass seine Website wahrgenommen wird / nach außen wirkt? Wie sieht er sich selbst? Ich versuche mir ein möglichst gutes Bild von meinem Kunden zu machen und zu verstehen, was er mit seiner Website vermitteln möchte.
Erst dann mache ich mich daran eine grafische Umsetzung für die Website zu erarbeiten. Ich versuche die ideale Lösung für ihn zu finden. MEINEN Vorschlag für SEINE Anforderung. Natürlich entwickelt man im Verlauf des Entwurfsprozesses unterschiedliche Ansätze, verwirft Ideen, die nicht passend scheinen und kommt so zu dem einen Ergebnis, das man seinem Kunden empfiehlt. Warum sollte ich mir nun noch zwei schlechtere Entwürfe ausdenken? Oder wenn ich dabei einen zweiten, besseren Entwurf entwickle – warum sollte ich dann den ersten, schlechtern Entwurf noch vorstellen?
Ich sehe es als meine Aufgabe an, die Entscheidung zu treffen, welche Website die am besten geeignete für meinen Kunden ist. Natürlich habe ich einen eigenen Stil und meine eigenen Vorstellungen, wie eine gute Website auszusehen hat. Genau deswegen kommen die Kunden ja zu mir. Ich bin der Fachmann für Internet, so wie mein Gegenüber Fachmann für Autos, Fenster oder Immobilien ist.
Mein Logo muss größer werden!
Natürlich passt man den Entwurf gegebenenfalls nach der Präsentation beim Kunden in Details an. Allerdings muss jeder selbst entschieden, wie weit er da gehen kann. Ich nehme mir die Freiheit auch mal einen Auftrag abzulehnen, wenn die Veränderungen so weitreichend sind, dass ich mich mit der Gestaltung nicht mehr anfreunden kann. Ich kann meinem Kunden keinen guten Job machen, wenn ich nicht dahinter stehe. Dafür findet er sicher jemand passenderen.
Außerdem ist es immer wichtig die Korrekturwünsche des Kunden zu hinterfragen: Warum möchten Sie Ihr Logo größer haben? Warum wollen Sie alle Texte bold haben? Warum möchten sie nicht scrollen?
Oftmals stecken hinter den Änderungswünschen der Kunden nämlich gar keine so schlechten Ideen, nur sind die Lösungen, auf die der Kunde kommt, nicht immer die passenden Lösungen für die Gestaltung einer Website. „Mein Logo muss größer werden“ meint nämlich in der Regel „Das Logo geht momentan etwas unter“. Das wäre dann eine Kritik, die ich eventuell nachvollziehen und auch eine entsprechende Lösung dazu liefern kann. Was der Kunde nicht wissen kann (weil Fachmann für Autos und nicht für Gestaltung) ist, dass man Logos auch mit anderen Mitteln in den Vordergrund bringen kann, als mit der schieren Größe.
Ich versuche also immer zu verstehen, was der Kunde möchte und dann meine gestalterische Lösung für seinen Wunsch zu finden.
Fazit
Immer nur einen Entwurf präsentieren. Den dafür gut ausarbeiten und überzeugend vorstellen. Auf Änderungswünsche bis zu einem gewissen Punkt eingehen. Dabei aber immer verstehen, warum der Kunde diesen Wunsch hat und eine clevere Lösung vorschlagen.
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6 Kommentare zu "Warum schlechte Entwürfe machen?"
Warum schlechte Entwürfe machen?: Dieser Artikel ist der erste Teil meiner neuen Serie auf blog.tocki.d… http://bit.ly/pVr5gb (@Tocki)
Warum schlechte Entwürfe machen? Warum 1 Entwurf besser ist als 3Entwürfe: http://t.co/j7LW2Kw #Webdesign
Warum schlechte Entwürfe machen? Warum 1 Entwurf besser ist als 3Entwürfe: http://t.co/j7LW2Kw #Webdesign
Sehr schöner Artikel, spricht mir aus der Seele! Schon seit einiger Zeit arbeite ich ebenfalls nach dem Schema. Das hat vor allem meine Zufriedenheit gesteigert: Schließlich muss ich nicht mit den schlechteren Layouts weiterarbeiten, sollte sich der Kunde dafür entschieden haben.
Guter Artikel. Aus Auftraggeber-Sicht ist ein mutiges und entschlossenes Auftreten des Gestalters sowieso immer zu begrüßen. Davon gibt es viel zu wenig, leider.
Volle Zustimmung. Präsentiere nie mehrere Entwürfe und erkläre es auch meist damit; Anfänger, die mit designen und coden hobbymässig angefangen haben, wissen oft selbst nicht genau was sie wollen und wohin die Reise geht. Da kann es durchaus Sinn ergeben, mehrere Entwürfe zu machen. Dann erkläre ich ihnen, dass ich aus bestimmten Gründen zu bestimmten Entscheidungen gekommen bin und deswegen alternativen zu neuen Problemen führen würden. Guter Artikel.